Gedenkveranstaltung zum 9. NovemberDie Besucherinnen und Besucher waren sich einig: Es war eine bewegende, fesselnde und zugleich informative Gedenkveranstaltung - eine würdige Feierstunde, die einen weit größeren Rahmen verdient gehabt hätte. Doch wie bereits in den Vorjahren war die Aula

der Georg-August-Zinn-Schule Reichelsheim zur Gedenkveranstaltung am vergangenen Freitag anlässlich des 81. Jahrestags der Novemberpogrome von 1938 mit den 155 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 10, den 9. Hauptschulklassen, der Förderschulklasse 2 sowie den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, Gästen und Mitwirkenden vollbesetzt.
Schulleiterin Kirsten Gebhard-Albrecht rief gleich zu Beginn der Veranstaltung in ihrer Eröffnungsrede die schrecklichen Ereignisse des 9. November 1938 in Erinnerung. Die Juden in Deutschland erlebten jene Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 als eine schreckliche Zeit, in der sich die Gewalt der Nationalsozialisten endgültig Bahn brach. Hunderte Juden wurden dabei grausam ermordet. Über tausend Synagogen, Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe vielen den Flammen zum Opfer oder wurden zerstört. Die Novemberpogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung und dem unterschwelligen Antisemitismus, über den offenen Hass, bis hin zur systematischen Verfolgung der Juden, welche knapp drei Jahre später in den Holocaust mündete.
Gerade vor dem Hintergrund, dass Antisemitismus auch heute wieder ein Thema ist, machte Gebhard-Albrecht deutlich, „dass wir nicht verdrängen dürfen, was passiert ist“. Folglich sei es wichtig „wachsam und aufmerksam zu sein“. Die Gedenkveranstaltung an der GAZ würdigte die Schulleiterin als einen wichtigen Beitrag, um den Opfern jene "Ehre zu erweisen, die ihnen im Leben versagt worden war".
Schulpfarrer Dieter Keim, der seine Ansprache unter den Titel „Mensch und Faschismus“ stellte, knüpfte nahtlos daran an: „Wir gedenken heute nicht dem, was geschehen ist, sondern dem was getan wurde.“ Unter Bezugnahme auf Artikel 1 des Grundgesetzes hob Keim hervor, dass es nicht selbstverständlich sei, dass Menschen in Würde leben könnten. „Und die Täter waren mitten unter uns: Der Nachbar, der Kollege aus dem Sportverein, der Mitbürger“, so Keim.
Eindrucksvoll schilderte der Schulpfarrer was Faschismus ist und wie er funktioniere, wie er klare Feindbilder schaffe und den Täter selbst das Gefühl gebe, das Richtige zu tun und Teil einer Gemeinschaft zu sein, die denke, das Richtige zu tun. „Man ist das Problem los, den anderen zu ertragen, weil er anders ist“, so Keim, der hinzufügte, dass es für Faschisten nie einfach sei, das Anderssein zu ertragen. „Doch gerade hierin besteht der Kern von Menschenwürde, denn dieses Anderssein heiße Toleranz“, stellte Keim fest.
Einen bewegenden Höhepunkt bildete schließlich das szenische Spiel, das das Leid der Odenwälder Juden in der NS-Zeit auf Grundlage der beiden Bücher und Originalbriefe von Ruth David aus Fränkisch-Crumbach thematisierte. Die Konzeption und Darstellung ging dabei auf die Schülerinnen und Schüler von DS-Kursen unter Leitung von Brigitta Gsell zurück. Der letztjährige Jahrgang 13 entwickelte das Stück und der hiesige Jahrgang 12 überarbeitete und inszenierte es. „Stück ohne Titel“, so habe man das szenische Spiel genannt, erklärte Gsell den Zuhörern, weil man dem, was geschehen sei, keinen Namen geben könne und einem für das, was geschehen sei, die Worte fehlen. Um diese Leere zu füllen, kamen in dem Stück Opfer und Zeitzeugen zu Wort, unter ihnen Kinder, deren Eltern verschleppt oder in Konzentrationslagern ermordet wurden. Schließlich wurden die Namen jener Jüdinnen und Juden aus Reichelsheim, Pfaffen-Beerfurth und Fränkisch-Crumbach genannt, die deportiert wurden.
Absolute Stille herrschte schließlich bei der Schweigeminute zum Gedenken an die jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner des Gersprenztals, zu der Geschichtslehrer Dr. Dirk Strohmenger, der die gesamte Veranstaltung organisiert und vorbereitet hatte, abschließend aufrief. Die Musiklehrer Konrad Dudzus, Manfred Kilthau und Joschka Althoff gaben der Gedenkveranstaltung mit jüdischen Instrumentalstücken einen würdigen Rahmen.
Begleitet wurden die Schülerinnen und Schüler an diesem Vormittag durch ihre jeweiligen Geschichtslehrerinnen und -lehrer. Damit konnte gewährleistet werden, dass der Geschichtsunterricht die Schülerschaft nicht nur auf das Thema der Novemberpogrome 1938 fachlich vorbereiten, sondern auch die Nachbesprechung im Anschluss bestmöglich stattfinden konnte.
Den besonderen Stellenwert der Gedenkveranstaltung unterstrich die hohe Zahl der anwesenden Gäste und Ehrengäste, unter ihnen der Vorsitzende des Schulfördervereins Erich Krichbaum, die Schulelternbeiratsvorsitzende Irene Gutberlet, der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Reichelsheim Gerd Lode, Dr. Waltraud Frassine von der evangelischen Kirchengemeinde in Reichelsheim, Daniel Serra da Silva von den Jugendwerkstätten Odenwald , Barbara Linnenbrügger von der Frauen-Geschichtswerkstatt Odenwald, Nicole Kelbert-Gerbig von der Stiftung der Sparkasse des Odenwaldkreis und Klaus Derge, der jüngst die Ausstellung "Künstler im Exil" an der GAZ eröffnete.

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